Wissenschaft & Kursiosität


Zwischen Wissenschaft und Kuriosität

Beim Betrachten des von Hebraschen Atlas fällt auf, daß auch Phänomene gezeigt und im Text beschrieben werden, die im eigentlichen Sinne nichts mit Krankheit zu tun haben. Was von Hebra über Diagnose und Therapie hinaus für berichtenswert hielt, verdeutlichen die folgenden Beispiele:

Von Hebra begründet die Auswahl des tätowierten Mannes mit folgenden Worten: "Die Seltenheit des Falles einer allgemeinen, künstlerisch vollendeten Tättowirung der Haut eines Menschen der kaukasischen Raçe bestimmten mich, denselben hier im Bild zu veröffentlichen." Daran schließt sich die Beschreibung des zum Tätowieren verwendeten Instrumentes und der Motive an. Auch bei der Ichthyosis betont von Hebra die Außergewöhnlichkeit des Falles. Ungläubig erwähnt er den Bericht eines Kollegen über einen Patienten, "bei welchem die Schuppen nicht allein dasselbe Aussehen, wie bei Fischen gehabt, sondern welcher sogar den Geruch nach Fischen verbreitet haben soll." Er verweist darauf, daß manche IchthyoseKranke mit ihrer Krankheit ihren Lebensunterhalt verdienten: "Heinrich Baker beschrieb im Jahre 1755 den erwachsenen Edward Lambert, welcher zu dieser Zeit bereits Vater zweier Söhne war, die eine grosse Rundreise, sowohl durch England, als durch Deutschland und Frankreich unternahmen, um sich für Geld sehen zu lassen." Gleiches gilt auch für an Hypertrichiasis Erkrankte. Noch 1873 ließ sich der dargestellte "russische Hundemensch" zusammen mit seinem Sohn von einem "Entrepreneur" dem schaulustigen Wiener Publikum presentieren. Laut von Hebra wurden solche Patientenporträts sogar in den kaiserlichen Kunstsammlungen aufbewahrt: "Auf der hiesigen Klinik für Hautkrankheiten befinden sich als Geschenk Sr. Majestät des Kaisers Franz Joseph vier lebensgrosse in Oel gemalte PorträtsCopien, deren Originale der Ambraser Sammlung angehören, welche eine angeblich in Augsburg im 17. Jahrhundert ansässige Familie darstellen."

Kuriosität und Wissenschaft waren für von Hebra anscheinend noch problemlos miteinander zu vereinbaren.